Die Finanzwelt wurde schneller und komplexer. Führt dies zu einer Überforderung der Gesellschaft oder täuschen wir uns?
Sie haben sich der Finanzaufklärung verschrieben. Wie ist es dazu gekommen und wie sieht Ihr Lehransatz aus?
Ich rate immer zum Aktiensparen: Investieren Sie in Aktienfonds oder auch in Einzeltitel, doch dies zwingend mit einem langfristigen Zeithorizont, also für mindestens zehn Jahre.
Schweizerinnen und Schweizer haben das Sparen wohl tief im Bewusstsein verankert – sie wachsen mit dem Sparschwein auf. Doch das reicht heute einfach nicht mehr aus. Die Konsumwelt frohlockt und viele haben punkto Vorsorgeleistungen und Renten Erwartungen, die fernab aller Realität sind. Daher wird die Selbstvorsorge immer wichtiger. Was raten Sie der Kleinsparerin und dem Kleinsparer?
Was heisst «breit diversifiziert»: Ist zum Beispiel Gold für Sie ein fixer Bestandteil eines diversifizierten Portfolios?
Breit diversifizieren heisst in Aktien, Obligationen – über Indexfonds oder ETFs (Exchange Traded Funds, also börsengehandelte Indexfonds – Anm. d. Red.) – und Immobilien investieren. Die Aufteilung ergibt sich dabei aus dem Anlagehorizont und der Fähigkeit, kurzfristige Schwankungen auch psychisch auszuhalten. Zu Gold sage ich oft spasseshalber: «Gold gehört an den Hals meiner Frau, aber nicht in mein Portfolio.» Aber im Ernst: Um Gold wird ein grosser Hype gemacht. Für mich persönlich ist Gold langfristig betrachtet eher ein Spekulationsobjekt. Es gilt hier wie bei anderen Anlagen auch: Was nicht laufend Ertrag abwirft, gehört eher in den Bereich der Spekulation.
Ich fokussiere stark auf den Schweizer Markt, da ich – im Gegensatz zu vielen meiner Kolleginnen und Kollegen – der Meinung bin, dass das Währungsrisiko zu gross ist, als dass man allzu stark "international gehen" sollte.
Genügt eine Diversifikation auf dem Schweizer Markt oder raten Sie dazu, global anzulegen?
Und was halten Sie vom Sparen in der 3. Säule?
Sollte man sich in eine Pensionskasse einkaufen?
Legen Sie Ihr privates Geld immer noch in Cash und Aktien an? Oder haben Sie angesichts des aktuellen Zinsumfeldes Ihre Strategie geändert?
Sie haben im vergangenen Jahr das AHV-Alter erreicht. Was sind Ihre ganz persönlichen Pläne im Hinblick auf das Sparen und das Weiterarbeiten?
Die wichtigsten Tipps
- Verschaffen Sie sich einen Überblick über all Ihre Verpflichtungen und anstehenden Ausgaben. Planen Sie Ihr Budget aktiv!
- Legen Sie so viel in festverzinslichen Anlagen (Cash und Obligationen) zur Seite, dass Sie Ihren Verpflichtungen nachkommen können – das nenne ich sparen –, und legen Sie die übrigen (langfristigen) freien Mittel in Aktien an (Fonds und Einzeltitel) – das nenne ich investieren.
- Diversifizieren Sie breit und investieren Sie langfristig – suchen Sie nicht den kurzfristigen Gewinn.
- Seien Sie diszipliniert, achten Sie ganz besonders auf die Kosten der Geldanlage und behalten Sie die Nerven.
- Kaufen Sie nur, was Sie verstehen. Investieren Sie in Ihr Wissen und trauen Sie vor allem sich selbst.
Dr. Erwin W. Heri
Dr. Erwin W. Heri hatte viele Jahre Führungspositionen bei unterschiedlichen Finanzdienstleistern (Banken und Versicherungen) inne. Darüber hinaus war und ist er Professor für Finanztheorie an der Universität Basel. Er hat bereits zahlreiche Bücher und Artikel zu Finanz- und Anlagefragen veröffentlicht. Als Gründungspartner der Finanzausbildungsplattform www.fintool.ch will Erwin Heri die finanzielle Bildung der Bevölkerung fördern und zur Selbstvorsorge animieren.