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Pensionskassen: Anlagestrategie in unsicheren Zeiten

«Anlagestrategie von Pensionskassen in unsicheren Zeiten» ‒ das ist das Thema unseres aktuellen Interviews mit drei spezialisierten Fachpersonen: Simon Aschwanden ist Leiter Produktenwicklung für die berufliche Vorsorge bei Zurich Schweiz, Markus Leuthard ist Chief Investment Officer (CIO) bei der Sammelstiftung Vita und Sébastien Dirren ist CIO bei der Zurich Invest AG. Diese legt Kundengelder in Höhe von ca. 45 Milliarden Schweizer Franken an, u.a. für die Vita Sammelstiftungen. Im gemeinsamen Gespräch beleuchten sie dieses wichtige Thema aus drei spannenden Perspektiven.
Sebastién Dirren, Simon Aschwanden & Markus Leuthard
Das Anlagejahr 2022 hat institutionellen Anlegern etliche Herausforderungen beschert: volatile Aktienmärkte, die hohe Inflation und die damit verbundenen Zinserhöhungen vieler Zentralbanken.

Wie stark waren die Auswirkungen auf die Schweizer Pensionskassen allgemein?

Simon Aschwanden: In Bezug auf die Performance war das Jahr 2022 insgesamt stark negativ, obwohl das letzte Quartal wieder besser verlaufen ist. Inflation, damit verbundene Zinsanstiege, Ukrainekrieg, Energiekrise, gestörte Lieferketten und die COVID-19-Pandemie in China: Im vergangenen Jahr kam schon einiges zusammen. Da sowohl Aktien als auch Obligationen – welche beide naturgemäss einen grossen Anteil in der Anlagestrategie einer Pensionskasse ausmachen – hohe Verluste verzeichneten, sind sämtliche Pensionskassen von dieser Entwicklung betroffen. Eine Performance von minus 10 Prozent wird keine Seltenheit sein. Wichtig ist, in einem Sturm nicht den ansonsten bewährten Kurs zu ändern und an der Anlagestrategie festzuhalten. Nach einem schlechten Anlagejahr vergisst man schnell die guten Renditen der vergangenen Anlagejahre 2019, 2020 und 2021. Mit Schwankungen umzugehen, gehört zum Kerngeschäft einer Pensionskasse. Und betrachtet man das Jahr 2021 und 2022 gemeinsam, war es aus einer Performancesicht mehr oder weniger ein Nullsummenspiel.

Gewisse Pensionskassen sind deswegen in Unterdeckung geraten. Wie ist dies zu beurteilen?

Simon Aschwanden: Der Deckungsgrad ist eine Zahl, die nur für einen Stichtag und nicht für ein langfristig ausgerichtetes System wie die berufliche Vorsorge aussagekräftig ist. Kurzfristige Schwankungen dieser Kennzahl haben daher keine Aussagekraft. Ende des Jahres 2021 hatten wir historisch hohe Deckungsgrade im Markt verzeichnet, obwohl Ende 2022 tatsächlich gewisse Pensionskassen in Unterdeckung geraten sind. Aus ökonomischer Sicht, also bei der Bewertung der Verpflichtungen zu risikogerechten Marktzinsen, sieht die finanzielle Lage einiger Pensionskassen aufgrund der gestiegenen Zinsen trotzdem wieder deutlich besser aus.
Für die langfristige Stabilität einer Pensionskasse ist eine nachhaltige Anlage- und Leistungspolitik entscheidend. Bei den Lösungen von Vita sehe ich diesbezüglich kein Problem: Unsere Vorsorgemodelle sind robust und können mit Marktschwankungen umgehen.

Sind alle Pensionskassen auf dem Markt so robust aufgestellt?

Simon Aschwanden: Leider nein – es gibt auch Pensionskassen, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, zum Beispiel weil sie den technischen Zinssatz nicht gesenkt haben, die Umverteilung nicht reduziert haben oder ihre Anlagestrategie nicht der Risikofähigkeit entspricht. Wenn solche Pensionskassen nun in Unterdeckung geraten, hat man etwas verpasst und es gibt tatsächlich Grund zur Sorge. Was mich persönlich beunruhigt, ist die zunehmende Umverteilung. 2021 war ein sehr gutes Anlagejahr, in dem die durchschnittliche Performance bei 8 Prozent lag, die versicherten Personen durchschnittlich 3,69 Prozent Verzinsung erhielten und die Deckungsgrade der Pensionskassen Höchstwerte erreichten. Dennoch wurde die Umverteilung von der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge immer noch auf 200 Millionen Schweizer Franken geschätzt. (Quelle: OAK BV, 2022c, S. 1.) Wenn trotz hervorragender Rahmenbedingungen immer noch eine Umverteilung entsteht, ist das ein klarer Hinweis darauf, dass das System nicht nachhaltig ausgestaltet ist. Für 2022 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder deutlich mehr Umverteilung ausgewiesen werden.
Darum setzen sich Zurich und Vita für mehr Fairplay in der beruflichen Vorsorge ein. Gemeinsam wirken sie darauf hin, dass sich Eigenverantwortung und Leistungsfähigkeit für die Unternehmen lohnen und Versicherte auf eine zukunftsfähige Vorsorgelösung zählen können. Wir bieten Anlagestrategien an, die Potenzial für die Wertsteigerung des Alterskapitals haben. Und wir setzen auf Vorsorgelösungen, die dafür sorgen, dass ein möglichst grosser Teil der Anlageerträge bei den Versicherten ankommt und nicht für die Umverteilung verwendet wird.

Wie stark haben sich die Turbulenzen des Jahres 2022 auf das Kapital der Sammelstiftung Vita ausgewirkt?

Markus Leuthard: Bereits in der Vergangenheit kam es immer wieder zu starken Korrekturen an den Aktienmärkten, wir kennen diese Situationen, welche durch Krisen, Wachstumsängste und Panik ausgelöst werden. Das Jahr 2022 zeichnete sich durch die Inflation und steigende Zinsen aus. Dieses Szenario ist nicht neu, trat jedoch seit den 70er-Jahren nie mehr auf. In der Folge kam es zu einer Abwertung der meisten Vermögenswerte und so haben auch wir Verluste bei Aktien und Obligationen zu verzeichnen. Einige illiquide Anlagen, wie Immobilien, verhielten sich bis jetzt relativ stabil. Wie diese sich in den nächsten Monaten entwickeln werden, muss sich noch zeigen, denn oftmals erfolgt die Korrektur verlangsamt und zu einem späteren Zeitpunkt.

Welche Massnahmen haben Sie als CIO für die Sammelstiftung Vita ergriffen?

Markus Leuthard: Wir haben unsere Anlagestrategie laufend weiterentwickelt und beispielsweise die Anlagekategorien Immobilien Schweiz und Infrastruktur sukzessive erhöht. Solche Massnahmen helfen in einem inflationären Umfeld, da Sachwerte von der Inflation weniger betroffen sind. Ebenso haben wir die Liquidität erhöht, damit wir Opportunitäten am Markt nutzen können, sollten sich solche ergeben.

Pensionskassen haben einen langfristigen Anlagehorizont, müssen aber gleichzeitig jederzeit Kapital für neue Renten bereithalten. Wie lösen Sie diese Herausforderung in unruhigen Zeiten?

Markus Leuthard: Das Ziel einer jeden Pensionskasse ist es, die Verpflichtungen sicherzustellen und zukünftig Renten auszubezahlen. Alle stehen vor denselben Herausforderungen. Diese langfristige Perspektive erlaubt es uns, einen Teil des Vermögens in illiquidere Anlagen zu investieren, gleichzeitig müssen wir jedoch die kurz- und mittelfristige Liquidität sicherstellen. Man könnte sagen, dass wir ein langfristiger Investor mit einer kurzfristigen Restriktion sind. Für die Sammelstiftung Vita ist der Liquiditätsbedarf für die Erfüllung der Rentenverpflichtungen nicht allzu hoch, da wir im Marktvergleich relativ wenige Rentnerinnen und Rentner haben. Deren Quote liegt bei gut 15 Prozent.

Welche weiteren Möglichkeiten gibt es für Pensionskassenverantwortliche, auch in turbulenten Zeiten Ruhe ins Anlagegeschehen zu bringen?

Sébastien Dirren: Mitten in turbulenten Zeiten ist es für eine Pensionskasse, aber auch für private Anlegerinnen und Anleger, wichtig, sich zunächst auf ihre strategische Allokation zu konzentrieren. Diese sollte so festgelegt sein, dass sie in einer Krise bestehen kann. Eine klare Anlagestrategie ermöglicht es, einen kühlen Kopf zu bewahren und die nötigen Renditen zu erwirtschaften, um die langfristigen Ziele zu erreichen. Dennoch kann es von Vorteil sein, das Portfolio in einem zweiten Schritt marginal anzupassen, um die aktuellen Chancen zu nutzen. Dies kann durch eine taktische Änderung der Allokation oder durch Anpassungen beim aktiv verwalteten Portfolio geschehen. Eine disziplinierte Umschichtung des Portfolios ist ebenfalls eine Quelle der Stabilität in einer turbulenten Episode, während man gleichzeitig seiner strategischen Ausrichtung treu bleibt.

Welche Anlageklassen bieten im aktuellen Umfeld interessante Renditechancen und warum?

Sébastien Dirren: Die jüngsten strukturellen Veränderungen an den Märkten wie Volatilität, Inflation und verändertes Zinsniveau können auch den kommenden Zyklus betreffen. Deshalb ist es zunächst wichtig, die strategische Allokation zu überprüfen. Dabei geht es nicht um eine grundlegende Änderung, sondern es sollte geprüft werden, ob eine breitere Diversifizierung nicht von Vorteil wäre. So könnte sich beispielsweise ein über die traditionellen Risikoprämien hinausgehendes Engagement (Aktien, Anleihen und Schweizer Immobilien) als günstig erweisen, sofern die Volatilität und der Inflationsdruck anhalten. Darüber hinaus können Anlageklassen wie Infrastruktur und private Schulden eine Absicherung gegen steigende Zinsen und Inflation bieten. Eine breitere Streuung des Illiquiditätsrisikos kann die strategische Allokation bereichern und gleichzeitig zu mehr Stabilität und höheren Renditeerwartungen führen. Dies ist ein Ansatz, den die Sammelstiftung Vita kontinuierlich und diszipliniert anwendet. Es könnte auch von Vorteil sein, einige Dogmen zu überdenken, die in einem von den Zentralbanken angetriebenen Umfeld bislang sehr gut funktioniert haben, in den kommenden Jahren jedoch weniger geeignet sein könnten. Dazu zähle ich zum Beispiel einen übermässigen Rückgriff auf ein passives Asset Management. Schliesslich gibt es auch langfristige Trends, die über einzelne Anlageklassen hinausgehen und nicht nur attraktive Renditen, sondern auch eine Risikominimierung bieten dürften. Beispielsweise könnte es von Vorteil sein, die Umsetzung der strategischen Allokation unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu analysieren.

Welchen Tipp geben Sie den Pensionskassenverantwortlichen für das Jahr 2023 mit?

Markus Leuthard: Das Jahr wird spannend. Es wird sich weisen, inwiefern sich das Wachstum verlangsamt. Durch die höheren Zinsen werden Obligationen wieder attraktiver. Aus den letzten 40 Jahren sind wir sinkende Zinsen und Volatilität an den Aktienmärkten gewohnt. Die Inflation kam überraschend. Festverzinsliche Anlagen sind wieder eine legitime Anlageoption.

Simon Aschwanden: Es ist wichtig, einen langfristigen Blick zu bewahren und den Fokus auf den Leistungsparametern zu belassen. Eine klar definierte und konsequent verfolgte Strategie ist von grosser Bedeutung, da diese dazu beitragen kann, dass man in stürmischen Zeiten nicht hektisch korrigieren muss. Es kann sinnvoll sein, hierfür Fachleute beizuziehen, um bei der strategischen Planung und Umsetzung zu unterstützen. Von einer Erhöhung des technischen Zinssatzes – was den Deckungsgrad erhöhen würde – rate ich ab. Dieser ist aus meiner Sicht verfrüht.

Sébastien Dirren: Mein Rat für 2023 ist, diejenigen zu ignorieren, die Ratschläge für 2023 erteilen, sowie den Anlagehorizont zu verlängern und das Anlageuniversum zu erweitern. So lässt sich das Portfolio auf den nächsten Zyklus optimal positionieren.

Simon Aschwanden
Leiter Produktenwicklung für die berufliche Vorsorge bei Zurich Schweiz
Markus Leuthard
Chief Investment Officer (CIO) bei der Sammelstiftung Vita
Sébastien Dirren
Chief Investment Officer (CIO) bei der Zurich Invest AG

Zurich und Vita – eine starke Partnerschaft

Die Zurich Invest AG als Geschäftsführerin der Zürich Anlagestiftung verwaltet die Kapitalanlagen der Sammelstiftung Vita sowie der eigenen Pensionskasse der Zurich Versicherungs-Gruppe in der Schweiz und vieler weiterer Pensionskassen. Mit einem verwalteten Vermögen von über 22 Milliarden Schweizer Franken ist die Zürich Anlagestiftung die grösste bankenunabhängige Anlagestiftung des Landes und damit eine bedeutende Anbieterin im Schweizer Markt für institutionelle Anleger. Die Zurich Invest AG wählt für jede Anlageklasse die besten Produkte und Partner. Dieser klar strukturierte und unabhängige Anlagemanagementprozess liefert nachweislich beeindruckende Performancewerte, die über den Vergleichsindizes liegen.

Fairplay in der beruflichen Vorsorge

Vita und Zurich setzen sich für eine faire und transparente beruflichen Vorsorge ein. Zudem bieten sie zukunftsfähige Vorsorgeprodukte und unterstützen Sie bei der Wahl der passenden BVG-Lösung.

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