Wie stark waren die Auswirkungen auf die Schweizer Pensionskassen allgemein?
Gewisse Pensionskassen sind deswegen in Unterdeckung geraten. Wie ist dies zu beurteilen?
Für die langfristige Stabilität einer Pensionskasse ist eine nachhaltige Anlage- und Leistungspolitik entscheidend. Bei den Lösungen von Vita sehe ich diesbezüglich kein Problem: Unsere Vorsorgemodelle sind robust und können mit Marktschwankungen umgehen.
Sind alle Pensionskassen auf dem Markt so robust aufgestellt?
Darum setzen sich Zurich und Vita für mehr Fairplay in der beruflichen Vorsorge ein. Gemeinsam wirken sie darauf hin, dass sich Eigenverantwortung und Leistungsfähigkeit für die Unternehmen lohnen und Versicherte auf eine zukunftsfähige Vorsorgelösung zählen können. Wir bieten Anlagestrategien an, die Potenzial für die Wertsteigerung des Alterskapitals haben. Und wir setzen auf Vorsorgelösungen, die dafür sorgen, dass ein möglichst grosser Teil der Anlageerträge bei den Versicherten ankommt und nicht für die Umverteilung verwendet wird.
Wie stark haben sich die Turbulenzen des Jahres 2022 auf das Kapital der Sammelstiftung Vita ausgewirkt?
Welche Massnahmen haben Sie als CIO für die Sammelstiftung Vita ergriffen?
Pensionskassen haben einen langfristigen Anlagehorizont, müssen aber gleichzeitig jederzeit Kapital für neue Renten bereithalten. Wie lösen Sie diese Herausforderung in unruhigen Zeiten?
Markus Leuthard: Das Ziel einer jeden Pensionskasse ist es, die Verpflichtungen sicherzustellen und zukünftig Renten auszubezahlen. Alle stehen vor denselben Herausforderungen. Diese langfristige Perspektive erlaubt es uns, einen Teil des Vermögens in illiquidere Anlagen zu investieren, gleichzeitig müssen wir jedoch die kurz- und mittelfristige Liquidität sicherstellen. Man könnte sagen, dass wir ein langfristiger Investor mit einer kurzfristigen Restriktion sind. Für die Sammelstiftung Vita ist der Liquiditätsbedarf für die Erfüllung der Rentenverpflichtungen nicht allzu hoch, da wir im Marktvergleich relativ wenige Rentnerinnen und Rentner haben. Deren Quote liegt bei gut 15 Prozent.
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es für Pensionskassenverantwortliche, auch in turbulenten Zeiten Ruhe ins Anlagegeschehen zu bringen?
Welche Anlageklassen bieten im aktuellen Umfeld interessante Renditechancen und warum?
Sébastien Dirren: Die jüngsten strukturellen Veränderungen an den Märkten wie Volatilität, Inflation und verändertes Zinsniveau können auch den kommenden Zyklus betreffen. Deshalb ist es zunächst wichtig, die strategische Allokation zu überprüfen. Dabei geht es nicht um eine grundlegende Änderung, sondern es sollte geprüft werden, ob eine breitere Diversifizierung nicht von Vorteil wäre. So könnte sich beispielsweise ein über die traditionellen Risikoprämien hinausgehendes Engagement (Aktien, Anleihen und Schweizer Immobilien) als günstig erweisen, sofern die Volatilität und der Inflationsdruck anhalten. Darüber hinaus können Anlageklassen wie Infrastruktur und private Schulden eine Absicherung gegen steigende Zinsen und Inflation bieten. Eine breitere Streuung des Illiquiditätsrisikos kann die strategische Allokation bereichern und gleichzeitig zu mehr Stabilität und höheren Renditeerwartungen führen. Dies ist ein Ansatz, den die Sammelstiftung Vita kontinuierlich und diszipliniert anwendet. Es könnte auch von Vorteil sein, einige Dogmen zu überdenken, die in einem von den Zentralbanken angetriebenen Umfeld bislang sehr gut funktioniert haben, in den kommenden Jahren jedoch weniger geeignet sein könnten. Dazu zähle ich zum Beispiel einen übermässigen Rückgriff auf ein passives Asset Management. Schliesslich gibt es auch langfristige Trends, die über einzelne Anlageklassen hinausgehen und nicht nur attraktive Renditen, sondern auch eine Risikominimierung bieten dürften. Beispielsweise könnte es von Vorteil sein, die Umsetzung der strategischen Allokation unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu analysieren.
Welchen Tipp geben Sie den Pensionskassenverantwortlichen für das Jahr 2023 mit?
Markus Leuthard: Das Jahr wird spannend. Es wird sich weisen, inwiefern sich das Wachstum verlangsamt. Durch die höheren Zinsen werden Obligationen wieder attraktiver. Aus den letzten 40 Jahren sind wir sinkende Zinsen und Volatilität an den Aktienmärkten gewohnt. Die Inflation kam überraschend. Festverzinsliche Anlagen sind wieder eine legitime Anlageoption.
Simon Aschwanden: Es ist wichtig, einen langfristigen Blick zu bewahren und den Fokus auf den Leistungsparametern zu belassen. Eine klar definierte und konsequent verfolgte Strategie ist von grosser Bedeutung, da diese dazu beitragen kann, dass man in stürmischen Zeiten nicht hektisch korrigieren muss. Es kann sinnvoll sein, hierfür Fachleute beizuziehen, um bei der strategischen Planung und Umsetzung zu unterstützen. Von einer Erhöhung des technischen Zinssatzes – was den Deckungsgrad erhöhen würde – rate ich ab. Dieser ist aus meiner Sicht verfrüht.
Sébastien Dirren: Mein Rat für 2023 ist, diejenigen zu ignorieren, die Ratschläge für 2023 erteilen, sowie den Anlagehorizont zu verlängern und das Anlageuniversum zu erweitern. So lässt sich das Portfolio auf den nächsten Zyklus optimal positionieren.