Vorurteil 1: Ältere sind teuer
Sprechen wir als Erstes übers Geld: Tatsächlich sind die Löhne von älteren Arbeitnehmenden im Durchschnitt höher als die von Jüngeren – weil sie über viel Berufserfahrung verfügen und dementsprechend ein höheres Basissalär erhalten. Der Unterschied ist aber viel kleiner, als man denkt: Vergleicht man die Medianlöhne der 40- bis 49-Jährigen in der Schweiz mit der Gruppe «50 plus», beträgt der monatliche Lohnunterschied im Schnitt nur CHF 108. Dies zeigt die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2018 des Bundesamts für Statistik. Statistisch gesehen finden die grossen Lohnsprünge vor dem 40. Geburtstag statt – nach dem 50. Geburtstag tut sich nur noch wenig.
Ein weiterer Faktor sind die Lohnnebenkosten. Hier sind die Älteren teurer, denn die Altersgutschriften für die Pensionskasse erhöhen sich stufenweise.
So belaufen sich als Beispiel die Mehrkosten für einen 55-Jährigen im Vergleich zu einem 45-Jährigen auf 3 Prozent. Die faktische Belastung des Arbeitgebers ist jedoch geringer, denn er trägt in der Regel lediglich die Hälfte der Kosten. Zudem gibt es noch einen Koordinationsabzug. Zum Beispiel bedeutet das: Beim Schweizer Medianlohn in der Höhe von CHF 6'538 beträgt der Unterschied monatlich nur CHF 66.95.
Die Fakten: Unterschied zwischen Geschlechtern grösser als zwischen Altersstufen
Sind ältere Mitarbeitende also teurer? Ja, ein wenig. Jedoch fällt der Unterschied zwischen den Geschlechtern – über alle Berufe hinweg betrachtet – stärker ins Gewicht. So liegt der Medianlohn sogar bei Frauen über 50 Jahren immer noch rund CHF 400 niedriger als der von Männern zwischen 30 und 39 Jahren. Und es würde wohl niemandem in den Sinn kommen, nur Frauen einzustellen, weil sie statistisch gesehen nach wie vor die niedrigeren Löhne haben.
Lohnkosten
Tipps für Arbeitgeber
Haben Sie das Gefühl, dass bei einem Mitarbeitenden das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr stimmt? Vielleicht liegt es nicht am Alter, sondern an der jahrelangen Routine. Dann braucht die Person vielleicht ein spannendes neues Projekt. Oder sie möchte den Stress einer Führungsfunktion nicht mehr auf sich nehmen und wäre froh, in die Rolle eines Fachexperten wechseln zu können. Oder Ihr Arbeitnehmer würde gerne für die nächsten Jahre bis zur Pensionierung im 80- oder 60-Prozent-Pensum arbeiten und ist dank Freizeitgewinn aufs Neue topmotiviert. Finden Sie gemeinsam individuelle Lösungen, die für beide Seiten stimmen.
Tipps für Mitarbeitende
Ist Ihr Salär in den vergangenen 30 Jahren stetig gewachsen? Das sollten Sie nicht als selbstverständlich ansehen – sondern als Verpflichtung. Entsprechend dem gestiegenen Lohn ist auch eine Gegenleistung zu erbringen. Überlegen Sie sich, wie Sie Ihren Marktwert steigern können, zum Beispiel mit einer Weiterbildung. Bieten Sie Ihrem Arbeitgeber gezielt an, jüngere Mitarbeitende auszubilden oder zu coachen. Davon profitiert nicht nur das Unternehmen, sondern auch Ihr Ansehen: So zeigen Sie, dass Sie Ihr Geld wert sind.
Vorurteil 2: Ältere sind weniger belastbar
Sind die Älteren häufiger krank? Laut Daten des Statistischen Bundesamts von 2019 liegt die Absenzquote der Mitarbeitenden ab 55 tatsächlich über dem Durchschnitt: 4,6 statt 3,2 Prozent. Andererseits ist das Alter nur einer von vielen Einflussfaktoren: Geschlecht, Nationalität, Branche, Unternehmensgrösse oder Hierarchiestufe spielen ebenfalls eine grosse Rolle. So haben Angestellte der Baubranche mehr als doppelt so viele Absenzen wegen Krankheit und Unfall wie Freiberufler, also Berufsgruppen wie Anwälte oder Architekten.
Die Fakten: Alter nur einer von vielen Faktoren fürs Kranksein
Sind ältere Mitarbeitende weniger belastbar? Wenn die Anzahl der Fehltage als Indikator für die Belastbarkeit gilt, so sind ältere Mitarbeitende tatsächlich häufiger krank. Doch andere Faktoren wie die persönliche Lebenssituation oder Fitness sind mindestens ebenso wichtig wie das Alter. Eine fitte 58-Jährige, die jeden Morgen mit dem Velo zur Arbeit kommt, ist vermutlich weniger oft erkältet als der übermüdete junge Vater, der regelmässig einen Virus aus der Krippe mitschleppt. Übrigens: Nicht die Anwesenheit, sondern die Leistung zählt.
Belastbarkeit
Tipps für Arbeitgeber
Mit einem professionellen betrieblichen Gesundheitsmanagement können Sie laut Experten des Kantons Aargau bis zu 50 Prozent der Absenzen verhindern. Das lohnt sich insbesondere bei älteren Arbeitnehmenden. Fördern Sie gezielt deren Gesundheit – legen Sie Wert auf Ergonomie am Arbeitsplatz, achten Sie gut auf branchentypische Fehlbelastungen und vor allem: Zeigen Sie Ihren älteren Mitarbeitenden Wertschätzung. Denn wer glücklich ist in seinem Job, dem geht es seelisch und auch körperlich besser.
Tipps für Arbeitnehmende
Halten Sie sich fit mit regelmässiger Bewegung und gesunder Ernährung. Niemand ist vor Schicksalsschlägen gefeit, doch viele Krankheiten können Sie durch einen gesunden Lebensstil verhindern oder zumindest hinauszögern. Ausserdem erholt sich ein gesunder Körper schneller von einem Infekt als ein angeschlagener. Dasselbe gilt für Ihre geistige Fitness: Bleiben Sie neugierig auf Ihre Branche und verfolgen Sie die wichtigsten Trends. So können Sie jederzeit mitreden und demonstrieren ganz nebenbei, dass Sie noch nicht «zum alten Eisen» gehören.
Vorurteil 3: Ältere sind unflexibel
Jeder kennt den alten Griesgram aus seiner Firma, der bei jeder Neuerung sagt: «Vergesst es. Das hatten wir vor 20 Jahren auch schon mal. Hat damals ebenfalls nicht geklappt.» Eine solche Haltung kann sehr anstrengend sein – trotzdem lohnt es sich, zuzuhören. Denn das Gegenstück zu unflexiblen Alten sind jungdynamische Uniabgänger, die alles wissen, doch leider nur aus der Theorie. Ältere Mitarbeitende können gerade in Projekten und bei Veränderungen Gold wert sein. Denn dank ihres Erfahrungsschatzes sehen sie oft mögliche Stolpersteine voraus und wehren so Gefahren ab. Das funktioniert jedoch nur mit einer positiven Einstellung auf beiden Seiten.
Die Fakten: Flexibilität hat nichts mit dem Alter zu tun
Flexibilität ist keine Frage des Alters, sondern vielmehr der persönlichen Einstellung und vor allem des Charakters. Es gibt extrem neugierige und aufgeschlossene 63-Jährige, aber auch Lehrabgänger, die innerlich verstaubt sind. Die angebliche fehlende Flexibilität ist eher eine Frage der Perspektive. Schliesslich blicken 55-Jährige auf andere Erfahrungen zurück und stehen an einem anderen Lebenspunkt als 25-jährige Vorgesetzte. Nicht zu unterschätzen ist, dass ältere Mitarbeitende mit ihren Bedenken, ihrer Nostalgie und ihrem Zurückblicken die Gefühle einer immer grösseren Kundengruppe im selben Alter repräsentieren. Nicht zuletzt deshalb sollte man sie ernst nehmen.
Entwicklung
Tipps für Arbeitgeber
Haben Sie die Grösse, die Perspektive älterer Mitarbeitender wertzuschätzen – selbst wenn es nicht leichtfällt, weil Sie sich überhaupt nicht damit identifizieren können. In altersdurchmischten Teams können Sie die frischen Ideen der Jungen mit dem Erfahrungsschatz der Älteren auf ideale Weise kombinieren und interessante Diskussionen anregen. Wirken Mitarbeitende ausgebrannt und desillusioniert, suchen Sie das Gespräch – und das gilt für alle Altersstufen. Denn oft steckt hinter einer negativen Einstellung das Gefühl, nicht mehr ernst genommen zu werden. Belohnen Sie bewährte Kräfte beispielsweise mit einer Fortbildung und kommunizieren Sie dies klar als Dankeschön für den guten Einsatz.
Tipps für Mitarbeitende
Die Welt dreht sich immer schneller, niemand kann diesen Trend aufhalten. Stemmen Sie sich nicht gegen die Flut, das kostet zu viel Kraft. Egal, ob im Brustschwimmen, Kraul- oder Butterflystil, lassen Sie sich einfach von der Strömung mitreissen. Dann fallen Sie auch nicht in die Rolle des ewigen Bedenkenträgers. Sie brauchen keinen eigenen Snapchat-Account zu eröffnen. Aber Sie können sich von Lernenden einmal zeigen lassen, wie die sozialen Netzwerke funktionieren. Informieren Sie sich über neue Technologien und Arbeitsmethoden. Verblüffen Sie Ihre Kollegen, indem Sie einen Branchentrend als Erster erkennen. Besuchen Sie Fachmessen und Vorträge. Mit jeder Aktivität senden Sie eine Botschaft aus: «Ja, ich gehe in wenigen Jahren in den Ruhestand. Doch bis dahin bin ich voll dabei.»