Das Guthaben in der zweiten Säule ist für die meisten Erwerbstätigen in der Schweiz das grösste Ersparnis, dennoch zählt es die Mehrheit nicht zum eigenen Vermögen. Dies ergibt eine neue repräsentative Befragung des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag von «Vita – Berufliche Vorsorge». Neben der Tatsache, dass nur die wenigsten Bescheid wissen, ist die fehlende Identifikation mit den eigenen Vorsorgegeldern ein wichtiger Grund dafür, dass die aktuelle Umverteilung in Milliardenhöhe in der zweiten Säule nicht zu mehr Widerstand führt und der Reformbedarf in der Altersvorsorge von vielen gar nicht erkannt wird.
Seit fast zwei Jahrzehnten ist in der Schweiz keine Reform der beruflichen Vorsorge mehr geglückt. Eine Folge davon ist, dass heute mehrere Milliarden Schweizer Franken aus den Anlageerträgen der zweite-Säule-Guthaben der berufstätigen Menschen pro Jahr für laufende Rentenzahlungen verwendet werden müssen. Entgegen dem Kapitaldeckungsprinzip werden diese Gelder nicht für den Aufbau des Altersguthaben der Sparerinnen und Sparer eingesetzt, sondern direkt zugunsten der Rentnerinnen und Rentner ausgegeben. Damit erodiert die Basis der künftigen Renten mehr und mehr.
Im Auftrag von «Vita – Berufliche Vorsorge» ist das Forschungsinstitut Sotomo der Frage nachgegangen, warum diese Umverteilung zulasten der jüngeren Generationen nicht zu mehr Widerstand führt, und welche Erwartungen die Bevölkerung insgesamt mit einer fairen Altersvorsorge verbindet.
Nur 11 Prozent wissen Bescheid
Die repräsentative Erhebung bei 1’608 Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz macht deutlich: Nur die wenigsten wissen Bescheid. Gerade einmal 11 Prozent der befragten Erwerbspersonen können sagen, ob und dass Kapitalerträge des eigenen Altersguthabens in der zweiten Säule für aktuelle Rentenzahlungen verwendet werden. Zugleich gehen 78 Prozent davon aus, dass der Widerstand gegen die aktuelle Umverteilung in der zweiten Säule steigen würde, wenn dies besser bekannt wäre.
Der Grund für das fehlende Problembewusstsein gegenüber der Aushöhlung des Kapitaldeckungsprinzips liegt nicht allein im fehlenden Wissen. Die Studie macht einen bemerkenswerten Mangel an Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Altersguthaben sichtbar. Obwohl das Guthaben in der zweiten Säule bei den meisten Erwerbstätigen in der Schweiz den grössten Anteil ihres Ersparten ausmacht, zählen es nur 44 Prozent zum eigenen Vermögen. Bei den 26- bis 35-Jährigen tun dies sogar nur 27 Prozent.
Einseitige Fixierung auf den Umwandlungssatz
Dabei besteht ein deutlicher Unterschied zur Säule 3a. Obwohl diese weit weniger bedeutsam ist, rechnen sie dennoch zwei Drittel zu ihrem Vermögen. Der Grund liegt auf der Hand: Während die Beiträge für die zweite Säule direkt vom Lohn abgezogen werden, werden Einzahlungen in die dritte Säule selbst vorgenommen. Das stärkt den wahrgenommenen Vermögenscharakter. Die zweite Säule müsste sichtbarer werden – ähnlich wie die dritte – um von einer Mehrheit als Anlage für das eigene Alter verstanden zu werden. Dieses Bewusstsein wiederum wäre grundlegend für das Erkennen eines Reformbedarfs.
Obwohl die aktuelle Umverteilung in der zweiten Säule kaum bekannt ist, rechnen 49 Prozent der Erwerbspersonen damit, bei der Pensionierung nicht das gesamte Altersguthaben gemäss Vorsorgeausweis zu erhalten. Das grösste Risiko für ihr Altersguthaben sieht die Erwerbsbevölkerung in der Senkung des Umwandlungssatzes. Dies obwohl gerade der Verzicht auf eine Senkung des Umwandlungssatzes mit dazu beigetragen hat, dass in den vergangenen Jahren bis annähernd die Hälfte der Erträge nicht für den Vermögensaufbau, sondern für laufende Renten verwendet werden musste.
Sparorientierte Junge
Besonders die jungen Erwachsenen riskieren später doppelt bestraft zu werden: Aufgrund ihres langen Anlagehorizonts sind sie besonders stark betroffen von der aktuellen Verwendung von Anlageerträgen für laufende Rentenzahlungen. Zugleich müssen sie damit rechnen, dass der Umwandlungssatz später dennoch gesenkt wird. Sie riskieren auf einem geringeren Sparguthaben eine tiefere Rente zu erhalten, da diese in Zukunft auf mehr Lebensjahre umgewandelt wird.
Weil der Kenntnisstand über die berufliche Vorsorge gerade bei den jungen Erwachsenen besonders tief ist und sie sich des Vermögenscharakters der zweiten Säule am wenigsten bewusst sind, bleibt der politische Widerstand weitgehend aus. Umso bemerkenswerter ist es, dass die jüngeren Befragten eigentlich sehr sparorientiert sind. Über die Hälfte der jungen Erwachsenen legen regelmässig einen fixen Frankenbetrag zur Seite. Die Altersgruppe ab 55 Jahren, die mittlerweile von Babyboomern geprägt wird, zeigt dagegen die geringste Bereitschaft zu sparen. Weniger als ein Drittel von ihnen spart gezielt oder regelmässig. Das Sparbewusstsein wäre bei den Jungen also durchaus vorhanden, ausgerechnet beim Pensionskassenkapital fehlt dieses Bewusstsein jedoch den allermeisten von ihnen.